Start bei Justice & Peace

14. bis 20. August 2017

Nachdem am Montag Ghost Town war, machte ich mich Dienstagmorgen auf den Weg zu meiner ersten Arbeitsstelle: Dem Justice & Peace Office, das sich im Caritas-Gebäude auf dem Bischofshügel befindet. Mein Weg dorthin geht über einen Trampelpfad, der eigentlich für mich am Tor zum Bischofshügel endet, doch an diesem Morgen war das Tor verschlossen. Ein bisschen irritiert war ich schon, doch dachte mir dort noch nichts weiter dabei, denn es war Maria Himmelfahrt, ein offizieller Feiertag in Kamerun, doch Fr Francline hatte mir versichert, dass im Justice & Peace Office dennoch gearbeitet würde. Also ging ich den Trampelpfad weiter hinunter bis zur Straße und wollte von dort über die normale Einfahrt zum Office gelangen.
Doch als ich das Tor durchquerte und mich der Wächter sehr irritiert anschaute, wurde ich doch verwirrt und nachdem ich ihm erklärte, dass ich die neue Freiwillige bei Justice & Peace sei, verkündete er mir, dass heute Feiertag und niemand in den Offices sei. Damit verschob sich mein Arbeitsstart also von Dienstag auf Mittwoch.

mein Weg zur Arbeit mit herrlichem Blick auf Kumbo
Mittwochmorgen stand ich dann pünktlich um 8 Uhr natürlich (ich bin ja schließlich Deutsche...) erneut vor dem Caritas-Gebäude, um festzustellen, dass von Justice & Peace noch niemand da war. Stattdessen wartete ich bei einer freundlichen Mitarbeiterin eines anderen Offices, bis einer meiner neuen Kollegen kam. An meinem ersten Arbeitstag wurde ich nur von der Koordinatorin Sr Venaja und der Sekretärin Yvonne, bei der ich im Büro sitze und die hauptsächlich für mich zuständig ist, in die Arbeit des Offices eingeführt, konnte mir viel durchlesen und ansonsten nur herumsitzen und zuschauen.

Das Justice & Peace Office ist auf der einen Seite eine Art Rechtsberatung bzw. Schiedsstelle, das die Menschen bei Problemen unterstützt und bei Streitereien vermittelt, auf der anderen Seite leistet es aber auch Aufklärungsarbeit und versucht, den Menschen ihre Rechte näher zu bringen. Dabei gibt es vier Bereiche, in denen es hauptsächlich aktiv ist: Streitereien um Land, Streitereien zwischen Farmern (das sind die Bauern, die auf ihrem Land nur Lebensmittel anbauen) und Grazern (das sind diejenigen, die auch Tiere haben), die Rechte von Hausangestellten sowie zivile Ehe, die Rechte von Witwen und Waisen und in dem Zusammenhang auch Menschenhandel.
Zur Aufklärung besucht das Justice & Peace Office regelmäßig direkt einzelne Dörfer und veranstaltet Workshops. Außerdem können Menschen mit eine Problem ins Office kommen und dann wird gemeinsam versucht, dieses Problem zu lösen - ich habe bislang zum Beispiel Streitereien um Land oder geliehenes Geld mitbekommen, aber auch Frauen, die ins Office kamen, weil der Vater ihres Kindes Unterhaltszahlungen verweigert.

An sich finde ich die Arbeit total spannend und ich habe auch das Gefühl, dadurch die Kultur und das Leben hier noch einmal viel besser kennenlernen zu können, es gibt allerdings für mich momentan zwei Probleme:
1. die Sprache. Oft sprechen die Menschen, die ins Office kommen, nur Pidgin (ein örtlicher Dialekt, der hier wie Lamnso' verbreitet ist, allerdings nicht nur in Kumbo und Umgebung, sondern im ganzen anglophonen Teil Kameruns) oder Lamnso'. Pidgin hat im Prinzip Ähnlichkeit mit Englisch, ist für mich aber trotzdem noch sehr schwierig zu verstehen und bei Lamnso' verstehe ich hin und wieder einzelne Wörter, aber mehr auch nicht. Dadurch verstehe ich leider meist nicht, was die Leute erzählen.
2. es gibt für Freiwillige sehr wenig zutun. Nachdem ich am ersten Tag ehrlich gesagt ziemlich frustriert war, hauptsächlich rumzusitzen, habe ich ziemlich schnell festgestellt, dass es den anderen Freiwilligen oft genauso ging - trotzdem hat allen, soweit ich es bislang mitbekommen habe, die Arbeit dort unglaublich gut gefallen, das lässt mich dann doch optimistisch nach vorne schauen. Momentan sitze ich sehr viel einfach im Büro herum, schaue zu oder laufe nur hinterher und fühle mich dabei ziemlich unnütz, ich hoffe, dass sich das bald bessert.

Am Donnerstag hat mir dann auch Yvonne, nachdem ich sie vermutlich irgendwann damit genervt habe, dass ich doch gerne wenigstens irgendetwas Sinnvolles zutun hätte, die Aufgabe gegeben, einen Workshop zum Thema "Vermeidung von Teenager Schwangerschaften" zu entwerfen. Teenager Schwangerschaften sind hier momentan ein großes Problem, vor allem auch, da die Schulen seit bald einem Jahr geschlossen sind, die Jugendlichen dementsprechend nichts zu tun haben und nicht in der Schule aufgeklärt werden.

Notizen und Ideen zur Frage, wie Teenager Schwangerschaften vermieden werden können
Am Freitag wurde außerdem eine große Dankesmesse für Sr Venaja geplant, da diese einen Preis für ihr Engagement gegen Menschenhandel erhalten hat. Dazu bin ich am Nachmittag mit Isidore, dem Assistant Coordinator, herumgefahren, um einige wichtige Menschen von Kumbo, z. B. den Divisional und den Subdivisional Officer (soweit ich das verstanden habe, ist das so etwas wie Oberbürgermeister und Bürgermeister), einzuladen. Ich war dabei zum ersten Mal in Tobin, dem Stadtteil von Kumbo, in dem die ganze Verwaltung untergebracht ist, und konnte einiges Neues sehen.

Um endlich das Gericht des anglophonen Kameruns zu lernen, besuchten wir Samstagnachmittag Flora, die uns zeigte, wie man Fufu mit Njama Njama zubereitet. Wir haben wieder einmal auf dem Feuer gekocht und das Essen hat unglaublich gut geschmeckt. Das Rezept bekommt ihr demnächst.
Außerdem hatten wir schon wieder ein paar Tage lang kein fließendes Wasser - diesmal solange, dass man die Dusche auch nicht mehr in der Hoffnung, dass das Wasser am nächsten Tag fließen würde, verschieben konnte. Daher wurde es am Abend Zeit für meine erste Dusche nur mit einem Wassereimer. Es ging eigentlich relativ schnell und auch sehr wassersparend, so sauber wie nach einer richtigen Dusche habe ich mich danach allerdings nicht gefühlt.

beim Rupfen von Njama Njama

Fufu umrühren

Fufu wird portionsweise in Bananenblättern eingedreht, so hält es sich sehr lange warm

das fertige Essen
Sonntagnachmittag hatten wir Barry zum Knödelessen eingeladen, da er nach unserer spanisch-kamerunisch-deutschen Kochaktion ganz begeistert von diesem Gericht war. Während er nachmittags allerdings kurz wegmusste, um noch einen Freund in der Nähe zu besuchen, standen auf einmal zwei Frauen bei uns in der Tür - eine Kamerunerin und eine Deutsche, doch wir konnten uns beim besten Willen nicht daran erinnern, sie schon einmal gesehen zu haben. Aber es geschah ja nicht zum ersten Mal, dass Leute uns kannten, bevor wir sie kannten, also luden wir sie in unser Haus ein und boten ihnen auch gleich ein paar Knödel an (ich bemerke langsam, wie ich kamerunische Verhaltensweisen übernehme, zum Beispiel, dass unerwarteter Besuch gleich auch zum Essen eingeladen wird). Bei den beiden handelte es sich um eine Freiwillige von Brot für die Welt, die gerade erst in Kumbo angekommen war und auch für ein Jahr hier bleiben würde, und ihre Mentorin, die unsere Vorgängerinnen kannte und daher wusste, wo wir wohnten. Sie dachte sich, dass es Luise (der Freiwilligen) wohl guttun würde, noch andere deutsche Freiwillige kennenzulernen und hatte deshalb beschlossen, uns spontan mit ihr zu besuchen. Wir haben uns auf jeden Fall auch gefreut, die beiden kennenzulernen und werden uns sicherlich noch häufiger mit ihnen treffen.

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2 Kommentare

  1. Ich glaube, dieses Gefühl des Nichts zu tun habens kennt jeder, der schon mal irgendwo einen Freiwilligendienst gemacht hat. Ich zumindest hatte solche Momente in meinem FSJ auch. Anfangs muss man sich erstmal in die Struktur des Arbeitsplatzes reinfinden und gucken, was man dort alles tun kann. Denn klar, als Freiwillige ohne Studium oder Ausbildung (und im schlimmsten Fall dann noch mit Sprachbarriere) kann man natürlich nicht so viele Aufgaben erledigen wie die Hauptamtlichen. Ich denke aber, wenn deine Vorgängern der Arbeitsplatz gefallen hat, wird sich da mit der Zeit schon etwas ergeben, was du machen kannst :).

    Warum sind denn die Schulen geschlossen?

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    1. Ja, ich schaue auch relativ optimistisch nach vorne.

      Die Schulen sind seit letztem November geschlossen, weil die Lehrer hier streiken, weil sie das Gefühl haben, das französische System aufgedrückt zu bekommen (es wurden z. B. auch einfach Lehrer aus dem französischsprachigen Teil hierher versetzt, die gar kein Englisch sprechen...) und sehr schlecht bezahlt wurden. Generell fühlt sich der englischsprachige Teil Kameruns vom französischsprachigen bzw. von der Regierung unterdrückt, weshalb auch Richter und Anwälte streiken und Ghost Towns stattfinden.

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