Wer sagt, dass Ordensschwestern nicht abenteuerlich sind...

13. bis 19. November 2017

...der hat noch nicht die Schwestern aus Romajay kennengelernt. In dieser Woche ging meine Zeit im Justice and Peace Office zu Ende und am Wochenende wurden Eli und ich von den Sistern zu einer Wanderung eingeladen.
Im Office wurde ich in dieser letzten Arbeitswoche noch einmal Zeuge eines wirklich harten Falls, den ich euch hier gerne so gut wie möglich beschreiben möchte, da er mich nicht nur wirklich mitgenommen, sondern auch sehr zum Nachdenken gebracht hat. Die Beschwerde, die dazu einging, war die Folgende: ein Elternpaar hat ihren Nachbarn beschuldigt, zuerst die Mutter sexuell belästigt und später die jugendliche Tochter zwei Mal vergewaltigt zu haben. Nun waren an einem Tag die Eltern mit der Tochter, der beschuldigte Mann und dessen Ehefrau ins Office eingeladen, um gemeinsam eine Lösung zu finden.

Nachdem das Mädchen allein (da war auch ich nicht dabei) ihre Version der Geschehnisse geschildert hat, sollte der beschuldigte Mann vor allen aus seiner Sicht erzählen. Er hat die Erzählungen des Mädchens bestätigt, sich vielmals entschuldigt und zugegeben, dass er ein ernsthaftes Problem habe, das ihm auch bewusst sei, da das Mädchen offenbar nicht sein erstes Opfer war. Er hat somit offen zugegeben, pädophil zu sein, konnte aber auch keinen sinnvollen Lösungsansatz zu diesem Problem liefern.

Die Eltern des Mädchens wurden nun gefragt, wie sie mit dem Mann gerne vorgehen würden bzw. welche Strafe sie vorschlagen würden; ebenso sollte sich der Mann selbst in die Lage der Familie hineinversetzen, um eine eigene Strafe zu finden, allerdings hat mehr seine Ehefrau für ihn gesprochen, als er selbst. Lösungsvorschläge zu sammeln dauerte einige Zeit - die Eltern machten Vorschläge, die Frau des Mannes, das Office; über diese Vorschläge wurde schließlich diskutiert, einige wurden verworfen, bis es schließlich zwei Ansätze gab, zwischen denen sich der Mann entscheiden durfte:

1. Er geht ins Gefängnis.
2. Er versichert schriftlich, sich in psychiatrische Behandlung zu begeben, verkauft das Stück Land, das er in der Nähe der Familie besitzt und lässt sich im entsprechenden Ort nicht mehr blicken. Sobald noch einmal ein Fall gegen ihn ans Office kommt, muss er sofort ins Gefängnis. Diese Lösung wird auch mit dem Gericht abgeklärt.

Die erste Lösung erschien auch mir zuerst am naheliegendsten, allerdings wurde von den Mitgliedern des Offices davon abgeraten, da das System hier so korrupt sei, dass es ein Einfaches sei, sich schnell freizukaufen. Darüberhinaus wurde die psychiatrische Behandlung als obligatorisch angesehen, da es offensichtlich war, dass der Mann ein ernsthaftes psychisches Problem hat.
Der Mann entschied sich schließlich nach Beratung mit seiner Ehefrau für die zweite Lösung, mit der auch die geschädigte Familie einverstanden war.

An diesem Fall finde ich mehrere Dinge sehr spannend. Auf der einen Seite war es für mich sehr lehrreich mitzuerleben, wie gemeinsam nach einer Lösung gesucht wird - dass das Office keine vorgibt, sondern nur berät, letztendlich aber die beiden streitenden Parteien zu einer eigenen Lösung kommen müssen. Auf der anderen Seite finde ich es sehr interessant, dass der beschuldigte Mann sich am Ende seine Strafe quasi selbst ausgesucht hat, was in meinen Augen den Wert noch einmal steigert, da nicht einfach blind über ihn gerichtet wurde, sondern er komplett die Verantwortung trägt.

Außerdem habe ich hierbei eine unglaublich starke Frau erlebt, nämlich die Ehefrau des beschuldigten Mannes, deren psychische Schmerzen ich mir gar nicht vorstellen möchte, während ihr Ehemann zugegeben hat, ein junges Mädchen vergewaltigt zu haben (und das nicht einmal zum ersten Mal). Denn sie war diejenige, die stets für ihren Mann gesprochen hat, die auf die Eltern des Mädchens zugegangen ist, die ehrlich versucht hat, die ganze Sache auch aus deren Perspektive zu sehen und trotzdem gleichzeitig noch auf eine besondere Art und Weise zu ihrem Mann gehalten hat. Es ist unglaublich wie sehr diese Frau ihren Mann trotz allem liebt und wie unglaublich verständig sie sich verhalten hat.

Freitag war dann schon mein letzter Tag im Office, der allerdings sehr ruhig von statten ging, da nicht viele Leute dort waren. Am Wochenende wurden Eli und ich von den Sistern aus Romajay eingeladen, sie auf eine Wanderung zu begleiten. Während wir noch Zuhause waren, spielte sich folgendes Gespräch ab:

Eli: Brauchen wir Sonnencreme? Mückenspray?
Ich: Neee, wir gehen doch nur mit den Sistern wandern, ich glaube nicht, dass das jetzt die krasse Wanderung wird, die tragen doch auch mit Sicherheit die ganze Zeit ihren Habit und so...
Eli: Und was für Schuhe?
Ich: Also ich trag einfach meine normalen, wir laufen bestimmt eh nur auf normaler Straße.
Bachüberquerungen gehörten natürlich auch zur Wanderung
Nunja, tatsächlich trugen die Sisters wie immer ihren Habit einschließlich dickem Rosenkranz, der an der Seite baumelte, und hatten sogar ihre Gebetsbuch für das Mittagsgebet im Rucksack - doch ein paar Stunden später standen wir schließlich doch wieder im Regenwald, kämpften uns durch schmale Trampelpfade und näherten uns mal wieder einem der vielen Wasserfälle in der Umgebung - an dem wir, wie wir dort feststellten, schon einmal waren, nämlich ganz am Anfang unserer Zeit hier mit dem spanischen Freiwilligen Victor, wie ich in diesem Post damals berichtet habe.
Die Wanderung war somit doch abenteuerlicher als gedacht, aber auch wahnsinnig schön und wir haben mal wieder Naturwunder entdeckt, die direkt vor unserer Haustür liegen.

You Might Also Like

0 Kommentare